Der lange Weg bis zur ersten Schaufel
Früher hat es der Inn ganz einfach selbst geregelt. Wechselnde Strömungsverhältnisse und starke Hochwasser räumten den Sand weg, den der Fluss zuvor abgelagert hatte. Und verlandeten Altwässer doch einmal zur Gänze, bildeten sich an anderen Stellen neue.
Seit der Kanalisierung und Stauung aber ist alles anders. Extreme Hochwasserlagen gehören der Geschichte an, der abwechslungsreiche Fluss ist zu einem kontrollierten Einerlei geworden. Die Selbstregulierung ist teilweise dahin. Stattdessen muss der Mensch eingreifen. Engagierte wie die Mitglieder der Fischereivereine.
Nur wird es denen nicht gerade leicht gemacht, wie das Beispiel Winklhamer Lacke einmal mehr zeigt. Seit Jahren gehört das kleine Altwasser zu den Sorgenkindern des Fischereivereins Burghausen. So hoch hatten sich Schlamm und Sedimente zuletzt abgelagert, dass der Pegel auf wenige Zentimeter sank. Zeitweise lag auch die schmale Verbindung zum Fluss trocken. Die Lacke drohten zu verschwinden. Anfang 2017 schließlich fror das wenige Restwasser komplett durch. Fische, Muscheln und andere Lebewesen verendeten.
Für die Tiere kam jede Hilfe zu spät. Dabei hatte sich der Fischereiverein als Pächter des Gewässers schon drei Jahre zuvor erstmals darum bemüht, etwas unternehmen zu dürfen. Die Winklhamer Lacke sollte ausgebaggert und damit wieder auf Tiefe gebracht werden. Nicht das gesamte Gewässer, aber zumindest Teile davon. Auch sollten der Zulauf wieder auf Vordermann gebracht und die sich ausbreitenden Schilfflächen eingedämmt werden.
Grundsätzlich sei man damit bei den Behörden auch auf Verständnis gestoßen, erzählt Vereinsvorsitzender Wolfgang Schneidermeier. Nur: Einem Eingriff in die Ökologie eines Gewässers stehen extreme Hürden entgegen, erst recht, wenn das Gewässer im Naturschutzgebiet liegt. Ein Amt nach dem anderen musste eingebunden werden, vom Landratsamt bis hin zur Bezirksregierung.
Gutachten mussten her, nicht nur naturschutzfachliche, sondern unter anderem auch zu der Frage, ob die Maßnahme in irgendeiner Weise den Hochwasserschutz gefährden könnte.
Die Zeit verstrich, die Lacke verlandete immer mehr, doch die Genehmigung zum Handeln ließ weiter auf sich warten. Erst 2016 ging es Schneidermeier zufolge wirklich voran. Ein runder Tisch mit allen Behörden brachte den ersten Durchbruch. Bis indes alle Auflagen und Vorgaben erfüllt waren und der Verein loslegen
konnte, wurde es Herbst 2017.
Von der einstigen Fischlaich- und Kinderstube war zu diesem Zeitpunkt kaum noch etwas übrig.
Mittlerweile, zwei Monate nach Anrücken des Baggers, sieht es an der Winklhamer Lacke wieder anders aus. Auf rund 120 Meter Länge und zehn bis zwölf Meter Breite ist sie eingetieft worden. Zudem haben die Ehrenamtlichen des Vereins etwa 100 Stunden investiert, um den Schilfgürtel auszudünnen und die Verbindung zum Inn wiederherzustellen. Mit dem Ergebnis ist Schneidermeier zufrieden. „Damit kann das Altwasser wieder die Ansprüche als Laich- und Jungfischhabitat sowie als Winterlager für Muscheln und Fische voll erfüllen“, erklärt er.
Wobei der Verein zumindest beiden Muscheln wohl ein wenig nachhelfen muss. Denn nach dem Durchfrieren im vergangenen Jahr bevölkern zwar bereits die ersten Fische wieder die Lacke, doch die Muscheln tun sich bei der Wiederansiedlung mangels Beweglichkeit schwerer.
Die Winklhamer Lacke ist damit für die Zukunft gerüstet, doch Wolfgang Schneidermeiers Blick geht bereits weiter, zu den nächsten Altwässern, etwa zur Deindorfer Lacke kurz hinter der Landkreisgrenze zu Rottal-Inn. Auch dort ist der Wasserstand kaum noch der Rede wert. Und auch dort werden sich die Vereinsverantwortlichen wohl in Geduld üben müssen.
Schließlich geht der Genehmigungs-Marathon von vorne los, mit Anträgen, Gutachten und allem, was schon in Winklham notwendig war. Für den Fischereiverein bedeutet das nicht nur jede Menge Zeitaufwand, sondern auch hohe Kosten. Mit rund 22.000 Euro hat die jüngste Maßnahme laut Schneidermeier zu Buche geschlagen.
„Die eine Hälfte fürs Baggern, die andere für das Genehmigungsverfahren.“ Zwar beteiligt sich mit rund 50 Prozent auch der Landesfischereiverband, doch über die Mitgliedsbeiträge trifft es letztlich doch wieder die Mitglieder selbst. Finanziell müsse man sich da jetzt erst mal wieder neu aufstellen, erst dann könne das nächste Gewässer in Angriff genommen werden, sagt Schneidermeier.
Text: Christoph Kleiner, Redakteur AÖ-Anzeiger
Bilder: Wolfgang Schneidermeier